Vor ein paar Tagen habe ich im Radio zufällig ein
Interview mit der Philosophin Eva von Redecker gehört.
Eva von Redecker ist 38
Jahre alt, wuchs auf einem Biohof in der Nähe von Kiel auf und war die letzten
zehn Jahre in Berlin an der Humboldt-Universität tätig.
Eva von Redecker beschäftigt
sich wissenschaftlich mit neuen politischen Protestbewegungen.
Diese Proteste haben
unterschiedliche inhaltliche Ziele - Klima- und Naturschutz, Antirassismus, Gewalt
an Frauen, Seenotrettung, Black lives matter, den Dannenröder Forst und andere
mehr.
Diese neuen Protestformen
haben zwar unterschiedliche Ziele, aber ihnen sei dennoch etwas gemeinsam.
Ihnen wohne eine neue Qualität inne, so sagt von Redecker, nämlich, dass das
Leben selber zur entscheidenden Kategorie für die Mobilisierung wird.
Das Leben selber treibt die
Menschen an, auf die Straßen zu gehen und für etwas zu demonstrieren.
Das Leben selber treibt
Menschen an, sich in ein Baumhaus zu setzen, auf Rassismus aufmerksam zu machen
usw.
Und: das Leben selber treibt
nicht nur die Menschen an, sondern das Leben selber wird geschützt. Das Leben
im umfassenden Sinne.
Das Leben der Menschen, das
Leben der Tiere, der Pflanzen, ja, das Leben der Natur überhaupt.
Mich hat dieser Titel
angesprochen und die These, die im Buch zu lesen ist.
Eva von Redecker sieht etwas
Gemeinsames in den Protesten und sie nennt ihr Buch „Revolution für das Leben“.
„Revolution für das Leben.“
Es ist ein lesenswertes Buch
und der Titel ist eine Überschrift für das, was wir an Weihnachten feiern.
Und ich denke, dass
„Revolution für das Leben“ auch zu Weihnachten passt.
Zu dieser Botschaft, dass
Gott Mensch wird, dass er zu uns kommt, in unserem Leben eine Rolle spielen
möchte und dass er das Leben möchte.
Gott wird Mensch, kommt ins
menschliche Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen.
Und dieser Gott hat eine
Botschaft, die vom Leben spricht. Von der Würde aller und Gerechtigkeit, von Ausgleich
und Barmherzigkeit, von Verantwortung für andere und sich selbst.
Gott hat eine Botschaft, die
von Heil und Rettung redet.
Wir haben einen Gott, der
sich revolutionär für das Leben einsetzt.
Leider wurde und wird diese
Botschaft des Lebens nicht immer umgesetzt, auch im Namen Gottes und im Namen
der Kirche wurde und wird Leben zerstört, auf ganz unterschiedliche Art und
Weise.
Es wäre auch eine Revolution
für das Leben, eine, wenn auch schmerzhafte Befreiung, wenn Verantwortliche zu
ihrer Verantwortung stünden.
Mir scheint, dass es leider auch
in der Kirche noch weite Wege sind, um Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und die
Würde aller Menschen zu lehren und zu leben.
Auch in der Kirche sind es
teilweise noch dicke Bretter, die wir bohren müssen, um alle Menschen gleich zu
behandeln.
Dennoch: ich glaube, dass
Gott eine Revolution für das Leben möchte.
Das wir uns einsetzen, dass
wir Leben retten, und nicht gefährden.
Dass wir uns dafür stark
machen, um Menschen zu befreien und nicht einzuengen, dass wir heilen und keine
Schmerzen zufügen oder töten.
So stellt Weihnachten an uns
die Frage: dient mein Denken, dient mein Handeln dem Leben?
Ermöglicht mein Verhalten Leben,
erweitert es die Chancen zum Leben und im Leben oder schränkt es ein, macht es
eng oder Angst?
„Revolution für das Leben“:
das heißt: Es kann nur ein Miteinander geben, zwischen Menschen und der Natur –
und kein Gegeneinander.
Die Güter der Erde sind zu teilen
und regenerieren und nicht zu verwerten oder auslöschen. Und Eigentum ist zu pflegen
und nicht zerstören.
Revolution für das Leben –
das kann bedeuteten: Gerechte Löhne denen zu zahlen, die in sozialen Diensten
arbeiten und die weder Homeoffice oder Kurzarbeit machen können.
Mir scheint, weniger die
Manager sind systemrelevant als Menschen am Kranken- und Pflegebett, in der
Intensivstation, im Kindergarten, bei technischen Betrieben, an der Kasse und
an vielen anderen Orten.
Revolution für das Leben –
das bedeutet auch, Zustände, die unhaltbar sind, abzustellen.
Wenn die Berichte stimmen,
dass Kinder in den Lagern auf Griechenland in diesen Tagen von Ratten gebissen
werden, dann ist das eine Schande für die Verantwortlichen. Und ein Stück weit
auch für uns.
Weihnachten: Gott wird
Mensch. Es ist ein Geschenk des Lebens – die Einladung mitzuwirken, dass das
Leben gefördert wird, es ist die Einladung, an der „Revolution für das Leben“
mitzuwirken.
Peter Göb
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Eva
von Redecker
Revolution für das Leben, Philosophie der neuen
Protestformen,
S. Fischer Verlag, 3. Auflage 2020.